Eine Frau die erschöpft quer auf einer Stuhlreihe liegt.

Was ist Mental Load? Und gibt es einen Weg raus?

Als ich kürzlich die Buchbesprechung von „Raus aus der Mental Load-Falle“ von Patricia Cammarata las, traf es mich wie ein Blitz. Alles, was mich vor Jahren krank gemacht hat und für das ich keine bessere Bezeichnung hatte als „Stress“, hatte plötzlich einen Namen: Mental Load.

Ich hatte damals keine Argumente dafür, warum ich ständig so erschöpft war. Warum mich die Fäden so belasteten, die scheinbar aus allen Richtungen an mir zogen. Und warum ich jedes Mal so wütend wurde, wenn mein Mann mich fragte: Kann ich dir helfen? Gut gemeint von ihm, er wollte mich wirklich unterstützen (und hat es oft genug auch getan). Aber mit dieser Frage manifestierte er in meiner Wahrnehmung seine Rolle als Helfer in der Not: es ist dein Haushalt. Ich helfe natürlich bei Bedarf. Sag Bescheid, wenn du was brauchst.

In diesem Artikel erfährst du, was Mental Load ist, was du tun kannst, damit es leichter wird, und du kannst testen, wie die Lastenverteilung in deiner Familie aussieht.

Darum geht es:

Was ist Mental Load?

Träumst du davon, deine Tage selbst zu bestimmen und zu gestalten? Von dem entspannenden Gefühl, alles gut im Griff zu haben? Der Alltag: Deine Gedanken kreisen um endlose ToDo-Listen, auch wenn du eigentlich ausruhen willst? An dir hängt neben deinem Job die gesamte Organisation des Familienlebens? Du bist erschöpft und weißt nicht genau, warum? Du fühlst dich alleingelassen mit der ganzen Zuständigkeit? Abends sinkst du todmüde ins Bett oder aufs Sofa und weißt dabei gar nicht so recht, was du den Tag über getan hast? Vielleicht bist du auch ratlos: „Mein Partner nimmt mir doch Aufgaben ab – also kann ich mich doch eigentlich nicht beklagen? Trotzdem bin ich nur noch müde.“

Dann willkommen im Club: das ist Mental Load.

Mental Load ist die permanente Verantwortlichkeit für alles rund um die Familie, die dich nicht ruhen lässt und dich unglaublich belastet. Selbstverständlich funktioniert Frau im Beruf einwandfrei. Gleichzeitig möchtest du deine Kinder gut versorgt wissen und hast bestimmte Vorstellungen davon, wie euer Familienleben und euer Haushalt funktionieren sollen. Dazu muss jemand nicht nur die Aufgaben erledigen, sondern sie zuerst einmal identifizieren, terminieren, organisieren, vorbereiten. Das liegt oft in den Händen (oder vielmehr im Kopf) einer Person, meistens in denen der Frauen.

Ein Beispiel: dein Kind ist zu einem Kindergeburtstag eingeladen. Da reicht es nicht, den Termin in den Kalender einzutragen. Was daneben alles erledigt werden muss:

  • Teilnahme bestätigen
  • Uhrzeiten klären
  • Gibt es eine gemeinsame Unternehmung? Wird eine Regenjacke, Turnschuhe oder festes Schuhwerk gebraucht? Klären.
  • Geschenkewunsch abfragen oder
  • gemeinsam mit dem Kind ein Geschenk überlegen
  • Geschenk kaufen/basteln und schön verpacken (Ist Material da?)
  • Weg zum Geburtstag organisieren/klären
  • Abholung/Heimweg nach dem Geburtstag organisieren/klären

Nicht für jede Frau ist Mental Load gleichermaßen eine Belastung. Das hat nichts damit zu tun, ob du mehr oder weniger leistest als andere, ob du besser oder schlechter organisierst. Die Wahrnehmung und der Umgang damit sind sehr individuell. So lange du dich wohlfühlst und die Situation für dich okay ist, besteht kein Grund etwas zu verändern. Aber wenn es zu viel ist, und du leidest, dann ist es Zeit zu handeln.

Anforderung ohne Wertschätzung. Die oft unsichtbaren Aufgaben, von denen das Funktionieren des Ganzen wesentlich abhängt, liegen oft wie Blei auf den Schultern. Diejenigen, die für die Familienarbeit zuständig sind, erfahren in der Regel dafür wenig Wertschätzung. Es ist auch schwierig, den Partnern zu erklären, was überhaupt das Problem ist. Wer betroffen ist, versteht es ja oft selbst nicht. Genau auf den Punkt bringen es die Comics von Emma, einer französischen Zeichnerin. Hier kannst du reinschauen (englisch).

Im Berufsumfeld kann Mental Load genauso auftreten wie im privaten Bereich. Auch hier gibt es Personen, an denen alles hängt – oder die sich auf jeden Fall so fühlen. Früher waren das in vielen Fällen die Sekretärinnen, heute ist es „die Assistenz“ oder das Office Management. Die Organisation von Meetings, Geburtstagen, Kundenterminen, rechtzeitiger Nachschub von Büromaterial, Getränken und Hygiene- und Reinigungsartikeln fürs Büro mit allen verbundenen ToDos und vieles mehr ruht auf ihren Schultern – die Aufgaben sind ähnlich vielfältig wie in der Familie.

Was ist der Unterschied zwischen Mental Load und Stress?

Stress hat vielfältige Auslöser: Zeitdruck, Perfektionismus, Überforderung, die Erwartungen anderer oder Glaubenssätze aus der Vergangenheit. Stress kann sowohl positiv als auch negativ wirken. Kurzfristiger Stress kann zu Höchstleistungen befähigen. Längerfristig belastet Stress Psyche und Körper, reduziert Leistungsfähigkeit, Kreativität und Zufriedenheit und schadet auf Dauer der Gesundheit.

Mental Load bezeichnet die ständige organisatorische Verantwortung für Aufgaben, selbst wenn man die Aufgaben nicht selbst ausführt. Es geht um das, was hauptsächlich im Alltag alles geplant, organisiert und erinnert werden muss. Diese Belastung ist oft unsichtbar, da sie sich im Kopf abspielt und nach außen oft gar nicht als Arbeit oder Leistung wahrgenommen wird. Das macht die Belastung schwerer erkennbar, für die Betroffenen selbst und andere Beteiligte. Mental Load tritt selten plötzlich auf, er entsteht oft schleichend, hält dann aber über lange Zeit an. Dabei verursacht er Frustration und Stress, er ist eine mögliche Stressquelle von vielen.

Die Folgen von nicht beachtetem Mental Load sind daher ähnlich wie die Folgen von allgemeinem Stress. Reizbarkeit, Schlafstörungen, ständiges Gedankenkarussell, Kopfschmerzen und Erschöpfung bis hin zu Burn-Out oder ernsthafte Beeinträchtigungen der körperlichen Gesundheit können Auswirkungen sein.

Warum sind hauptsächlich Frauen betroffen?

Zahlreiche Studien bestätigen: Frauen leisten über 50% mehr Care-Arbeit als Männer. Nach der Geburt eines Kindes übernehmen immer noch die Frauen die Familienarbeit zum großen Teil. Unabhängig davon übrigens, ob sie daneben noch einen bezahlten Job haben, ehrenamtlich tätig sind oder nicht. Und Care-Arbeit beinhaltet nicht nur das Tun, sondern auch das Drandenken, Organisieren, Nachhalten. Das alles verursacht Mental Load.

In nicht-heteronormativen Beziehungen sind die Rollenmuster zunächst mehr auf Gleichberechtigung ausgerichtet als in Mann-Frau-Beziehungen – bis Kinder in die Familie kommen. Dann ist der Effekt Studien zufolge genau derselbe wie in „herkömmlichen“ Familien-Settings: eine Person übernimmt einen größeren Anteil der Familienarbeit und damit die Verantwortlichkeit für das Gesamtkonstrukt.

Und nun – was kannst du gegen Mental Load tun?

Ein erster Schritt ist es, all die unsichtbaren Aufgaben sichtbar zu machen. Wenn dir nichts dazu einfällt: weiter unten geht es zu einem Mental-Load-Test. Der Test liefert eine Liste mit einer ganzen Menge Aufgaben-Beispielen. Eine Mind-Map ist ebenfalls hilfreich. Einfach anstehende Kernthemen (zum Beispiel „Wandertag“) auf ein Blatt schreiben und darum herum all die Aufgaben, an die in diesem Zusammenhang gedacht werden muss. Du wirst staunen, was du jeden Tag alles leistest.

Eine Mind-Map mit den vielfältigen Familienaufgaben eines Tages.

Den/die Mitverantwortliche/n mit ins Boot nehmen. Das ist in der Familie zum einen der Partner, mit zunehmendem Alter aber auch die Kinder selbst. Das ist der Rat von Patricia Cammarata. In ihrem Buch „Raus aus der Mental Load Falle“ gibt es dazu ausführliche Informationen, Tipps und Anleitungen für einen Weg aus der Überlastung. Um dich wirklich von Mental Load zu befreien, muss die Last nach ihrer Überzeugung gleichmäßiger verteilt werden. Spoiler: Ohne deinen Partner damit zu behelligen funktioniert das nicht.

Denn darum geht es: nicht um reine Aufgabenverteilung, sondern um die Übernahme ganzer Prozesse oder Themen mitsamt der Verantwortung dafür. Nur das schafft echte Entlastung. Dazu gehört auch, das Ergebnis anzuerkennen, wenn dein Partner sich um ein Thema gekümmert hat. Auch wenn es vielleicht etwas anders ausfällt, als wenn du es gemacht hättest. Einige Tipps von Patricia Cammanata kannst du in Kurzfassung in ihrem Gastartikel auf equalcareday.org nachlesen.

Auf der Seite der Initiative „Equal Care Day“ findest du dazu einen Mental-Load-Test für Paare – entweder online oder zum Ausfüllen auf Papier. Dazu einfach das pdf herunterladen und ausdrucken (kostenlos nur für privaten Gebrauch). Ganz wichtig dabei: es handelt sich nicht um einen Wettbewerb. Ihr seid keine Gegner, sondern im Idealfall Partner, die gemeinschaftlich eine Verbesserung erreichen möchten. Auch wenn vielleicht etwas Überzeugungsarbeit nötig ist: ein fröhliches Familienleben für alle ist das Ziel. Es gibt auch einige Selbst-Tests im Netz, die dir zeigen können, ob du von Mental Load betroffen bist. Vermutlich wirst du die Antwort aber intuitiv schon kennen.

Was ist mit Frauen/Elternteilen ohne Partner, wirst du vielleicht fragen? Wer alleinerziehend ist, hat es zugegebenermaßen schwer, sich von der Bürde der dauernden Zuständigkeit zu befreien. Es ist ja niemand da, der Teile davon übernehmen kann, zumindest, wenn die Kinder noch klein sind. Genauso verhält es sich, wenn der Partner sich nicht gleichberechtigt an den Verantwortlichkeiten beteiligen will oder kann. Vielleicht hilft es dir schon etwas, zu wissen was es ist, was dich so müde macht. Und dass du damit nicht allein bist. Mir hätte es vor vielen Jahren sehr geholfen, wenn ich dem Ganzen einen Namen geben und mir selbst hätte erklären können, was mich quält.

Feiere dich. Du kannst dich wertschätzen dafür, was du alles an Aufgaben bewältigst – Tag für Tag. Mit der Liste oder der MindMap hast du es schwarz auf weiß vor Augen. Auch wenn andere deine Leistung nicht sehen oder anerkennen – du kennst sie.

Rede mit anderen Frauen in ähnlicher Situation. Schon der Austausch tut gut. Vielleicht entstehen dabei auch kleine Netzwerke für gegenseitige Unterstützung. In meinem Leben gab es eine Freundin, deren Kinder den gleichen Kindergarten besuchten wie meine und die eine Abholvollmacht für meine Kinder hatte. Für den Fall, dass irgendetwas dazwischenkam und ich nicht rechtzeitig zur Abholzeit da sein konnte. Oder auch für geplante Termine. Ohne sie wäre für mich der Wiedereinstieg in den Beruf sehr viel schwerer gewesen – bei Kindergartenzeiten damals noch von 8 bis 12 und an drei Tagen immerhin noch von 14 bis 16 Uhr.

Versuche es auch mit Stressbewältigungs-Tools, und schau, was davon für dich funktioniert. Es gibt eine Menge, was wenig Zeit und Aufwand braucht. Mehr dazu findest du HIER und HIER.

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Beate sitzt am Notebook

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3 Gedanken zu „Was ist Mental Load? Und gibt es einen Weg raus?“

  1. Danke, dass du über dieses Thema schreibst. Ich habe selbst keine Kinder und in meiner Beziehung verteilt sich die mentale Last recht gleichmäßig, aber in meinem Umfeld beobachte ich das öfter, wie Frauen sich so quasi unsichtbar abschleppen. Die mangelnde Wertschätzung und dieser Automatismus dahinter sind echt deprimierend.

    Wie du sagst, ist viel gewonnen, wenn wir einmal klar hinsehen und Bilanz ziehen. Und darüber reden.

    Liebe Grüße
    Angela

  2. Danke Bea für den spannenden Artikel. Es hat mir wieder einen Motivationsschub gegeben, mehr Verantwortung für bestimmte Bereiche der Familie zu übernehmen.

    Ich muss gestehen, dass ich meiner Freundin manchmal sogar vorgeworfen habe, dass sie Dinge vergisst oder „unzuverlässig“ ist und habe Perfektion verlangt. Dein Artikel hat mir eine ganz andere Perspektive aufgezeigt und viel mehr Mitgefühl für ihre Situation gegeben.

    Ich hoffe, wir können unser Zusammenleben in Zukunft noch besser balancieren und vor allem mehr Mitgefühl, Dankbarkeit und Liebe zeigen, statt fordern und bewerten.

    1. Danke für deinen Kommentar, Raffi.
      Ich freue mich sehr, wenn ich zum gegenseitigen Verstehen und Anerkennen beitragen kann,
      und ich wünsche dir gutes Gelingen für ein entspanntes und liebevolles Zusammenleben.

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